Welt-Aids-Tag 2023 – HIV früh erkennen
Am 01.12. findet der 35. Welt-Aids-Tag statt. Er will die Rechte der etwa 39 Millionen HIV-positiven Menschen weltweit stärken und zu einem Miteinander ohne Vorurteile und Ausgrenzung aufrufen. Außerdem wird an die Menschen erinnert, die an den Folgen von Aids verstorben sind.
Aktuell leben in Deutschland laut Robert-Koch-Institut ca. 91 400 Menschen mit einer HIV-Infektion. Von diesen sind 76 500 HIV-Positive erfolgreich therapiert, sodass ihre Virenlast unter der Nachweisgrenze liegt. Sie können somit das HI-Virus nicht mehr weitergeben und schützen auf diese Weise ihre Sexualpartner*innen vor einer Ansteckung. Sie haben eine annähernd gleiche Lebenserwartung wie Menschen ohne HIV-Infektion. Das sind sehr gute Nachrichten!
Gleichzeitig wissen 10% der Menschen mit HIV nichts von ihrer Infektion und leben Jahre unentdeckt mit ihrer Erkrankung. In dieser Zeit können sie schwer erkanken und das HI-Virus unabsichtlich verbreiten.
Wie zum Beispiel Achim (Name geändert), der 64 Jahre alt ist und mit einer schweren Lungenentzündung im Krankenhaus liegt. Seine Hausärztin hatte ihn stationär eingewiesen, sie konnte sich die schwere seiner Symptome nicht erklären. In der Klinik wurde nach einer ausführlichen Anamnese ein HIV-Test gemacht. Dieser fiel positiv aus. Die Blutwerte zeigten, dass Achim schon viele Jahre mit dem HI-Virus infiziert und das Immunsystem inzwischen stark geschädigt war. Mit dieser Nachricht hat er überhaupt nicht gerechnet. Er lebt seit Jahren in einer festen Partnerschaft. Die Zeit, in der er einige wechselnde Beziehungen hatte, ist lange her. Er nahm seine Vorsorgeuntersuchungen in Anspruch und hatte das Gefühl gehabt, sich gut um seine Gesundheit zu kümmern.
Wie konnte es sein, dass die Infektion so spät entdeckt wurde?
Achim ist hier kein Einzelfall. Im Jahr 2022 wurden dem Robert-Koch-Institut 2.500 HIV-Fälle neu gemeldet. Von diesen waren ca. 35% bei Ihrer HIV-Diagnose bereits in einem fortgeschrittenen Stadium ihrer Erkrankung.
Ein Grund für die verspätete Diagnose kann sein, dass im Arztgespräch das Thema „sexuelle Gesundheit“ nicht angesprochen wurde. Seine Hausärztin ging nicht davon aus, dass bei dem gut situierten, erfolgreichen Geschäftsmann HIV eine Rolle spielen könnte.
Es kann auch sein, dass Achim große Angst vor Stigmatisierung und Diskriminierung hatte und sich deswegen mit dem Thema nicht auseinandersetzen konnte. Obwohl er Risiken in der Vergangenheit eingegangen war, ließ er keinen HIV-Test machen.
Was können wir tun, um Menschen mit einem Infektionsrisiko für HIV noch besser und frühzeitiger zu erreichen?
Besonders in den Hausarztpraxen könnte das Thema Sexualität mehr in den Fokus gerückt werden. Im Rahmen der Behandlung sollte häufiger an sexuell übertragbare Infektionen (STIs) gedacht und eine HIV-Testung angeboten werden.
Die Beratungs- und Testangebote in den HIV/Aids-Beratungsstellen, Aidshilfen und Gesundheits-ämtern können weiter ausgebaut und leichter zugänglich gemacht werden.
Die Präventionsarbeit in Schulen und Einrichtungen muss junge Menschen weiterhin über Infektionsrisiken aufklären und Raum für Kommunikation und Austausch schaffen – für Fragen zur Sexualität, HIV und weiteren STIs.
Wir haben die Chance etwas zu ändern!
Viele Menschen verbinden mit einer HIV-Infektion immer noch Vorurteile gegenüber bestimmten Personengruppen. Jede*r ist aufgerufen, Stigmatisierung und Ausgrenzung anzusprechen. Der gesellschaftliche Umgang hat maßgeblichen Einfluss darauf, wie wir Menschen über diese Erkrankung, und damit über Sexualität, Schutz, Test und Behandlung sprechen – oder eben nicht. So können alle einen Beitrag zur Beendigung der HIV-Pandemie leisten.
Am Welt-Aids-Tag werden auch die HIV/Aids-Beratungsstellen der Caritas in Deutschland wieder zu Solidarität und Akzeptanz aufrufen. Sie wollen in ihrem Engagement für HIV-Positive weiter Zeichen setzen und Menschen mit Risikokontakten ermutigen, sich testen zu lassen.
In vielen Regionen finden rund um den 1. Dezember Infostände und Gottesdienste statt, die Raum für Begegnung, Information und Austausch schaffen wollen. Die rote Schleife als Symbol dieses Tages steht für Gleichbehandlung, Solidarität und Gemeinschaft.
Übrigens: Der Partner von Achim hat sich testen lassen – es wurde auch bei ihm eine HIV-Infektion festgestellt. Die Diagnose war für beide eine Belastungsprobe, aber ihre Beziehung hat gehalten.
November 2023 – Heidrun Brand